Das Lachen, dieses befreiende, oft erlösende Ventil, das den Druck des Alltags, die Sorgen der Welt, all den Ballast des Menschseins für einen Moment entweichen lässt, ist schwer geworden. Mir ist nicht bekannt, dass Deutschland inzwischen der Himmel auf Erden ist, und dennoch: Jedes Lachen steht gegenwärtig unter besonderer Beobachtung. Jede Lachmuskel-Entgleisung sollte wohlüberlegt sein. Es herrscht Humorstarre. Spätestens seit Beginn der Pandemie verharrt unsere Gesellschaft in unterschiedlichen, voneinander getrennten Humorlagern. Das lähmt. Es sorgt dafür, dass sich einzelne Gruppierungen immer tiefer in ihren Gräben verschanzen und das gegnerische Lager argwöhnisch beäugen.
An den Frontlinien gerät auch der Humor immer mehr unter Beschuss. Die Devise lautet leider oft: „Ein falscher Witz, und ich stelle dich öffentlich an den Pranger!“ Die „Alles dicht machen“-Aktion von rund 50 Schauspielerinnen und Schauspielern hat das soeben erst bewiesen. Ich persönlich halte nichts von dieser Kampagne, mehr noch: Teile davon stoßen mich regelrecht ab. Wenn der „Tatort“-Schauspieler Richy Müller durch Atmen in Tüten Menschen verhöhnt, die an Beatmungsgeräten um ihr Leben kämpfen, ist für mich die Grenze des guten Geschmacks weit überschritten.
Dennoch habe ich Herrn Müller weder Corona an den Hals noch ein Berufsverbot gewünscht. Ich habe mich wahnsinnig geärgert, aber meinen Ärger nicht in die Welt geschrien, sondern erst einmal recherchiert. Ich wollte verstehen, welche Motivation hinter der Aktion steckte und welches Ziel sie verfolgte. Denn das war ja nicht klar zu erkennen: Der Kern der Kritik blieb diffus. Missbilligen der Corona-Politik? Aufmerksamkeit für die Nöte von freischaffenden Künstlern in der Pandemie? Medienkritik? Irgendwie von allem ein bisschen? Vermutlich war auch diese Unschärfe ein Grund, warum die Schauspielerinnen und Schauspieler schnell in die Ecke der „Querdenker“ gestellt wurden, die die Aktion prompt für ihre Zwecke instrumentalisierten.
Womit wir bei dem Punkt wären, der in der Humorarbeit so wichtig ist: dem Ziel. „Alles dicht machen“ war kein harmloser Witz, kein Schenkelklopfer, an dem die Geschmäcker auseinandergehen. Es war eine gezielte Aktion, orchestriert und um maximale Wirkung bemüht. Mag sie in den hintersten Winkeln ihrer Inszenierung auch einen wahren Kern gehabt haben, scheiterte sie spätestens dann, als sie eines der Grundgesetze der Humorarbeit missachtete: Tritt immer nach oben, nie nach unten. Richy Müller und auch einige der anderen Schauspieler haben das Leiden infizierter Menschen lächerlich gemacht und dabei ihr Ziel aus den Augen verloren. Das war geschmacklos – und diskreditierte ein Unterfangen, das in anderer Form seine Daseinsberechtigung gehabt hätte.
Inzwischen sind sieben Tage vergangen und ich habe viel über die Aktion, die uns die Spaltung unserer Gesellschaft so anschaulich vor Augen führte, nachgedacht. Zum Beispiel habe ich mir vorgestellt, wie der „Babylon Berlin“-Star Volker Bruch auf einer Bühne steht und seinen „Ohne Angst habe ich Angst“-Beitrag vorträgt. Wie er die Regierung dafür kritisiert, in der Kommunikation und Erklärung ihres Krisenmanagements nicht den richtigen Ton zu treffen. Vielleicht hätte ein guter Regisseur daraus tatsächlich ein wirkungsvolles Theaterstück entwickelt. Schauspieler im Hintergrund wären vielleicht beim „22-Uhr-Glockenschlag“ mit „Ausgangssperre“-Plakaten in der Hand ängstlich in ihre Häuserkulissen geflüchtet. Aber all das war nicht zu sehen.
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